Mitteilung: Öko-Institut e.V.
Seit dem schweren Unfall in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013, bei dem mehr als 1.100 Menschen starben, hat sich einiges getan für mehr Arbeitssicherheit in der Textilproduktion des Landes. So haben sich beispielsweise im Brandschutzabkommen „Accord on Fire and Building Safety“ europäische Hersteller, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen, um verpflichtende Standards für mehr Arbeitssicherheit und Gesundheitsstandards durchzusetzen. Dennoch greifen aus Sicht des Öko-Instituts die bisherigen Initiativen und Verpflichtungserklärungen zu kurz, um die Rechte und Sicherheit von Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilproduktion nicht nur in Bangladesch zu schützen.
In zwei Fallstudien hat das Forschungsteam des Öko-Instituts untersucht, was dazu beiträgt, bessere Arbeits- und Umweltstandards in der Textilindustrie in Bangladesch zu ermöglichen. So haben zahlreiche Unternehmen schon lange eigene, verbindliche Kodizes entwickelt oder sich zu Initiativen bekannt, mit denen sie ihre Lieferanten vor Ort zu faireren Arbeitsbedingungen verpflichten. Allen voran das Brandschutzabkommen: Hier werden Zulieferer ausgeschlossen, die den Regeln zuwider handeln. Investitionen in Schutzmaßnahmen in den Fabriken werden gemeinsam über den Accord finanziert.
„Ob Brandschutzvorkehrungen, der Abbau von Überstunden oder die Klärung von Abwässern – höhere Standards kosten Geld. Wie sie dauerhaft finanziert werden können, ist nicht geklärt“, sagt Christoph Brunn, Mit-Autor der beiden Fallstudien. Wird dies nicht getan, reichen die großen Modeketten die Kosten an die Zulieferer durch. „Dadurch steigt der Druck auf diese immer weiter, was sich negativ auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz auswirkt.“
Nicht berücksichtigt: Lieferanten von Lieferanten
Die Expertinnen und Experten des Öko-Instituts kritisieren außerdem, dass sich die bisherigen Regelungen fast ausschließlich an Lieferanten mit direkten vertraglichen Beziehungen zu den internationalen Unternehmen richten. Ein Großteil der Produktion – geschätzt rund 30 bis 50 Prozent – wird jedoch von nicht offiziell registrierten Fabriken erfüllt. Damit findet mindestens ein Drittel der Textilproduktion in Bangladesch praktisch ohne Regeln zum Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz und unter äußerst prekären Bedingungen statt.
„Die bisherigen Bemühungen sind ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie betreffen aber noch zu wenige Hersteller und damit zu wenige Arbeiterinnen und Arbeiter“, kritisiert Brunn. „Um ihre Situation wirklich zu verbessern, müssen Unternehmen und die internationale sowie lokale Politik aktiver zusammenarbeiten und neue Lösungsansätze entwickeln.“
Freiwillige Selbstverpflichtung und staatliche Regulierung
Die Fallstudien sind im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojektes „Global Value“ entstanden. Die Mitglieder des Forschungsverbundes unter Leitung der Wirtschaftsuniversität Wien untersuchten, welchen Beitrag global agierende Unternehmen zu den Nachhaltigkeitszielen der UN leisten können. Das Öko-Institut hat verschiedene Fallstudien und Einzeluntersuchungen zusammengefasst und kommt zu dem Schluss, dass freiwillige Verpflichtungen von Unternehmen zur Einhaltung von Schutzstandards für Mensch und Umwelt nicht ausreichen.
Vielmehr müssten Staaten internationale Abkommen und gesetzliche Regelungen für multinational operierende Unternehmen schaffen, damit diese entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltiger handeln. „So sollten unternehmerische Sorgfaltspflichten, wie sie zum Beispiel die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte bereits auf freiwilliger Ebene vorsehen, rechtlich verbindlich gemacht werden“, so Franziska Wolff, Governance-Expertin am Öko-Institut. Sorgfaltspflichten für Menschenrechte können neben ihrem sozialen auch einen Umweltnutzen entfalten, weil sich viele Umweltschäden auf die menschliche Gesundheit auswirken und so das Menschenrecht auf Gesundheit und im Extremfall sogar das auf Leben beeinträchtigen.
PM v. 7.6.2017
Öko-Institut e.V.
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