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“Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gut gemeint, mehr Engagement gegen Niedriglöhne bringt aber mehr”

Neue Vorschläge des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Mitteilung: Hans-Böckler-Stiftung

Eine gezielte Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel, wie sie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorschlägt, hat zwar positive Verteilungseffekte, trifft aber nicht den Kern des Problems, das viele Haushalte mit niedrigen Einkommen haben. Eine generelle Senkung der Mehrwertsteuer, die das DIW ebenfalls befürwortet, könnte zudem zu Einnahmeausfällen für die öffentliche Hand führen, die notwendige Investitionen gefährden. Darauf weist Prof. Dr. Gustav A. Horn hin, der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Idee, für Steuersenkungen bei der Mehrwertsteuer anzusetzen, sei „grundsätzlich gut, weil sie ein Defizit der gängigen Konzepte für Einkommensteuerreformen überwindet: Haushalte mit niedrigen Einkommen zahlen keine Einkommensteuer, sie geben aber einen Großteil ihres Geldes für Waren des täglichen Bedarfs aus“, sagt Horn. Eine generelle Senkung des Einkommensteuersatzes um einen Prozentpunkt führe aber angesichts der starren Schuldenbremse schnell in einen gravierenden Zielkonflikt: „Durch die Mindereinnahmen könnte Geld für dringend nötige öffentliche Investitionen fehlen, die ja auch das DIW zu Recht fordert“, warnt der Ökonom. Das Problem sei auch dann relevant, wenn die Steuerausfälle dadurch begrenzt würden, dass künftig weniger Güter und Dienstleistungen unter den ermäßigten Satz fallen.

Vom Volumen her sei daher lediglich die gezielte Senkung des reduzierten Steuersatzes für Lebensmittel sinnvoll, so Horn. Allerdings dringe auch dieser Vorschlag, „so gut er gemeint ist, nicht zum Kern des Problems vor.“ Der bestehe darin, dass trotz guter wirtschaftlicher Situation rund 20 Prozent der Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor arbeiten. „Diese Menschen verdienen schlicht und einfach zu wenig, um ihren Lebensunterhalt gut bestreiten zu können. Das bekommt man auch mit einer leichten Senkung der Mehrwertsteuer nicht in den Griff“, erklärt der Wirtschaftsforscher. „Wichtiger wäre es, den Arbeitsmarkt neu zu regulieren, damit diese Menschen anständige Löhne und Gehälter verdienen können. Das würde ihre Kaufkraft nachhaltig steigern.“

PM v. 2.8.2017
Rainer Jung 
Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung
www.boeckler.de